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Schlagwort: Chronische Erkrankungen

PLBD011 Chronische Erkrankungen ++

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Mitwirkende

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Lotte

Shownotes

Es spricht Lotte, die Ihr bereits aus der Trilogie über Chronische Erkrankungen kennt:

Falls Ihr den Podcast erst sehr viel später hört, hier eine

Lottes Erleben des „Lockdown“

Der Matthäus-Effekt: „Wer hat, dem wird gegeben“

Das Problem der Reduktion auf die Repräsentation

Die Krankenhaus-Anekdote

Pandemiezustand als Chance zum Perspektivwechsel

Die Stuhlgymnastik-Anekdote

Einsamkeit und Bedeutung sozialen Kontakts

Wie daraus 1 Podcast machen?!

Feedback-Hinweis

Mastodon-Account der Plapperbu:de https://social.tchncs.de/@Plapperbude
Matrix-Community der Plapperbu:de https://matrix.to/#/+plapperbude:ismus.net

Tonquellen

Dank für Intro und Outro gilt:

PLBD010 Content Warnings

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Mitwirkende

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Homer S. (er)

Shownotes

INHALTSWARNUNG

00:00:01
  • Die vorliegende Episode beschäftigt sich mit dem Umgang einer sich selbst als "normal" definierenden Mehrheitsgesellschaft mit marginalisierten Bevölkerungsgruppen. Insbesondere, wenn Du zu einer dieser Gruppen gehörst, kann dich der Inhalt emotional aufwühlen oder andere Belastungen auslösen oder verstärken. Prüfe bitte vor dem Anhören, ob Du Dich gerade in der Lage fühlst, Dich mit Diskriminierungs~ und Ausgrenzungserfahrungen auseinanderzusetzen. Andernfalls kannst Du das Anhören auf einen späteren, stabileren Zeitpunkt verschieben. Wenn Du Dich für das Anhören entscheidest, prüfe zwischenzeitlich Deinen Zustand und Deine Energieressourcen und erlaube Dir, das Anhören regelmäßig zu unterbrechen und Dir ausreichend lange Pausen zu gönnen. Ein wesentlicher Vorteil von Podcasts ist schließlich, dass sie Dir nicht weglaufen 🙂 Es kann auch hilfreich sein vorab zu prüfen, ob dein soziales Unterstützungsnetz (Freund*innen, Behandler*innen, Begleiter*innen, Krisentelefon etc.) im Notfall zeitnah verfügbar ist.

Vorwort

00:09:31
  • Jahre alte Debatte/Streit über Sinn und Unsinn von Inhaltswarnungen
    • Entbrennt in regelmäßigen Abständen insbesondere in sozialen Netzwerken
    • Unversöhnliche Positionen, die zu Zerwürfnissen, Block-Orgien und Invalidierungen führen
    • Auseinandersetzung bleibt oft oberflächlich auf Basis von Halbwissen
      • z.B. häufig verbreitete Folge eines Podcasts mit drei weißen Männern als Kronzeugen gegen die Forderung nach Inhaltswarnungen.
    • Mehrheit bewegt sich auf Kontinuum zwischen teilweisem Unverständnis für weitreichend erscheinende Forderungen und der kategorischer Ablehnung.
    • Natürlich unwahrscheinlich, dass sich "Hardliner*innen" überzeugen lassen wollen.
    • Aber für Ambivalente, Wohlwollende mögen ergänzende Informationen zu Inhaltswarnungen für eine Bereitschaftsänderung ausreichend sein.
  • Dazu möchte ich aus meiner Perspektive eines psychotherapeutischen Praktikers, versuchen beizutragen.

Was sind Inhaltswarnungen?

00:20:13
  • Stichworte für Themen, die als besonders belastend für alle oder bestimmte Gruppen bekannt sind.
  • Aber auch Thematische Hinweise, auf Themen, die nicht allgemein als belastend anerkannt sind.
    • Ggf. als Serviceleistung an die Gesamtheit, um in großer Informationsmenge schneller gewünschte von aktuell unerwünschten Inhalten zu trennen.
  • Ausführungen beziehen sich vor allem auf CW im Rahmen sozialer Netzwerke,
    • die sich in der technischen Unterstützung stark unterscheiden
  • CW können aber vor jede Art von Kommunikation geschaltet werden, bei Vorträgen, Podcasts, Filmen, Büchern, Artikeln, Blogeinträgen etc.

Was sind Trigger?

00:26:35
  • Traumafolgestörungen
    • Begriff "Trigger" spielt wichtige Rolle in Kontext von Traumafolgestörungen.
    • Dort können im langjährigen Verlauf sogar völlig neutrale Reize mit Bruchstücken von Traumaerinnerungen verknüpft und so zu Auslösern unfreiwilligen Wiedererlebens werden.
    • Spezifischere Reize haben aber weiterhin höhere Auslöse-Wahrscheinlichkeit.
  • Dysfunktionale Schemata
    • Auch sog. frühe dysfunktionale affektive Schemata können "getriggert" werden.
    • Das sind in Kindheit und Jugend erworbene Erlebensmuster bzw. Erinnerungen an nicht günstige bewältigte emotionale Überforderungserfahrungen.
    • Ähnliche Situationen oder starke ähnliche Gefühle können diese Schemata auslösen, die sehr leidvoll erlebt werden und zu unangemessenem Bewältigungsverhalten führen.
  • In beiden Fällen steigen Belastung und Überforderung sprunghaft an und lösen eine Krise aus, die von Stunden bis zu Wochen oder Monaten anhalten kann.
  • Chronische Belastungen
    • Chronische Belastungen beschreibt unspezifisch ein breites Feld von Eigenschaften oder Bürden, die in unserer Welt diverses Leid bedeuten können.
    • Chronische Erkrankungen, Behinderungen, Hautfarbe, Geschlecht/Gender aber auch bedürfnis- oder verhaltensbezogene Abweichung von der Normgesellschaft erfüllen dieses Kriterium.
    • Die stetige Konfrontation mit den Ausgrenzungs- und Marginalisierungsmechanismen ihrer Umgebung frisst andauernd an ihrer Energie, ihrer Lebensfreude, ihren materiellen Ressourcen, was zu immer weiterer Benachteiligung im Vergleich zur privilegierten Normgesellschaft führt.
  • Beispiele für die Lebensrealität von Menschen mit chronischen Erkrankungen findet Ihr in den Folgen 7-9 der Plapperbude
  • nähere Erklärungen zu Traumafolgestörungen in
  • Mehr zu den Konsequenzen von Rassismus empfehle ich die Lektüre von
    • Eddo-Lodge, R. (2019) . Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche (1. Aufl.) . Tropen.
  • zu denen von Antisemitismus in Deutschland
    • Grossmann, J. (2018) . Schonzeit vorbei (1. Aufl.) . Droemer Knaur.

Betroffene

00:39:01
  • Inhalts~ oder Triggerwarnungen geben den Betroffenen vorgenannter Gruppen Kontrolle über ihre aktuelle Belastung.
  • Die ausgewogene Steuerung aus Konfrontation und Stabilisierung ist Basis jeder qualifizierten Behandlung ggf. vorliegender psychischer Leiden.
    • Überforderung verschlimmert das Leiden, Langfristige Vermeidung ebenfalls.
    • Nur ein Gleichgewicht, dass beide Pole meidet ermöglicht erfolgreiche Bewältigung
    • Oft pendeln Betroffene aber zwischen den Polen und bestimmen ihr Handeln nur sehr eingeschränkt selbst. Diese Selbstbestimmung setzt Entscheidungsmöglichkeiten voraus.
  • Das Fehlen von Entscheidungsmöglichkeiten verhindert somit die Teilnahme an Kommunikation, die diese Notwendigkeit verweigert.

Solidarische

00:45:57
  • Durch fehlende Rücksichtnahme werden Betroffene bereits aus dem Diskurs gedrängt bzw. werden ihre Forderungen invalidiert, sie als Person ggf. diskreditiert.
  • Solidarische Menschen versuchen entsprechend diese Lücke zu kompensieren, indem sie sich stellvertretend in die Auseinandersetzung begeben. Daraus folgen einige Problem.
    • Betroffene sprechen dadurch ggf. erneut nicht für sich, werden auch von Solidarischen zu wenig gehört und so trotz Fürsprache marginalisiert.
    • Solidarische verkennen ggf. die Unvollständigkeit ihrer Perspektive, da sie nicht auf Erfahrung sondern empathischem Nachempfinden beruht.
    • Invalidierung Betroffener als abhängig, defizitär, ungenügend.
  • Generell sind sie aber erforderlich, um die Marginalisierung durch Feindselige oder Gleichgültige zu überwinden.

Gegner*innen

00:51:54
  • entstammen überwiegend Populationen, die maximal einen Marginalisierungs-Faktor auf sich vereinen:
    • Deutsche Twitteria
    • Tech-Bros
    • Podcast-Szene
  • sind allein durch Zugehörigkeit, Einbindung in solche Gruppen wiederum privilegiert / in einer Mehrheit.
    • Bekanntes Problem: Wer privilegiert ist sammelt dadurch tendenziell immer mehr Privilegien an, wer von Marginalisierung betroffen ist, wird über die Zeit von immer mehr Marginalisierung betroffen.
      • Populärstes Beispiel: "Die immer weiter auseinander klaffende Schere zwischen Arm und Reich".
  • Selbstbild: aufgeklärt und unheimlich bewusst, mitfühlend und tolerant. Was im relativen sozialen Vergleich vermutlich sogar Bestätigung findet.
    • Forderungen Marginalisierter an sie sind in ihrer wichtigen und unglaublich beschäftigten Welt nicht vorgesehen. Sind ein Frevel am positiven Selbstbild.
    • Forderungen stören den eigenen Flow und Bedürfnisse nach Effizienz.
    • In der ablen "Macher~Welt" sind Zuhören und Verstehen zu langsam. Beschäftigung mit Problemen ist lästig, stört, hält auf. Entsprechend um (vermeintliche) Lösungen oder Ratschläge nie verlegen.
      • Sehr Techi~typisches Problem und einer Zeit geschuldet, in der Einzelpersonen alleine Programme entwickelten und nicht auf Kooperation angewiesen waren.
  • wenig bis keine substanzielle Einblicke in die Lebensrealität marginalisierter oder eingeschränkter Menschen == "toter Winkel"
    • strukturelle Benachteiligungen oftmals kaum bewusst, wenn dann sehr oberflächlich
    • Unterschätzung begleitender sozioökonomischer Privilegien (zumindest der Herkunft und dem Ausbildungsgrad nach) .
      • Bedeutung der Verfügbarkeit von Ressourcen zur Diskursteilnahme und damit Macht in der diskursiven Auseinandersetzung mit Marginalisierten.
      • Aus Gewöhnung an eigene privilegierte Umwelt folgt der Anspruch auf Definitionsmacht, was angemessene Forderungen an sie sind.
      • selbst wenn Menschen mit Marginalisierungsgrund persönlich bekannt, handelt es sich dabei i.d.R. um 'relativ Privilegierte', d.h. deren Kompensationschancen am höchsten sind. Diese eigenen sich oft optimal als Token.
      • entsprechend können auch eigene ggf. überwundene Belastungen zur Delegitimierung von Forderungen anderer Betroffener ins Feld geführt werden.
        • Ohne jede Differenzierung und unter Ausblendung der eigenen relativen Privilegien (Intersektionalität)
  • Alles Leiden entsteht aus Anhaftung oder Unwissenheit.
  • Übersetzt: Gier, Egozentrik, Abhängigkeit und schlichter Mangel an Information (z.B. Mangels vergleichbarer Perspektive oder Kontakt) .
  • Gegen die ersten drei kann ich hier wenig tun. Aber neue Informationen kann ich vielleicht liefern.

"Die Welt ist nun mal so!"

01:10:07
  • Das Verbergen in der Realität auftauchender Inhalte oder Objekte sei nutzlos, weil sie sich ja eben nicht vermeiden ließen.
  • Suggeriert ein Schwarz~Weiß~Bild von Realität, die vollständig determiniert sei. Negiert die Steuerbarkeit von Belastungen auf Kontinuen sowie abhängig davon den Sinn von Schutzräumen für Schutzbedürftige.
    • Meist nur für das gerade opportune Thema. Bei anderen Themen wird das oft zugestanden.

"Kein Beweis für Wirksamkeit"

01:13:30
  • Es gibt zu diesem Bereich insgesamt wenig belastbare empirische Forschung ~ aus diversen Gründen
    • Content Warnings an sich sind ein vergleichsweise junges Konzept - schon weil auch Internet-Netzwerke an Forschungszeiträumen gemessen sehr jung sind.
    • Marginalisierungen werden selbstverständlich auch in Forschungskontexten marginalisiert - schon allein weil auch die Forschenden im Schnitt weit weniger Marginalisierungen ausgesetzt sind als die Restbevölkerung. Mehrfach Marginalisierte schaffen es i.d.R. erst gar nicht in akademische Zusammenhänge.
    • aus dem selben Grund ist die Forscher*innen-Perspektive in den wenigen vorliegenden Arbeiten oftmals eine wiederum beschränkte.
    • Psychotherapie und ihre wissenschaftliche Erforschung ist ebenfalls noch extrem jung. Damit sind die Verständnisse von Belastungen, Störungsbildern und einhergehender Marginalisierung in stetigem Wandel, was die Verbesserung der Realiabilität und Validität von Forschungssettings keinesfalls erleichtert.
      • Psychotherapie orientiert sich aber aus guten Grund zunächst immer an der subjektiven Wahrnehmung und den authentischen Bedürfnissen der Hilfesuchenden und invalidiert weder ihre Wahrnehmung noch ihre Ansätze zur Bewältigung.
  • Das Fehlen von Wirksamkeitsbeweisen ist kein Beweis für Unwirksamkeit. Ein Vergleich mit Pseudomedizin wie Homöopathie verbietet sich, da die Sachlage hier eine völlig andere ist: Es gibt zahlreiche Gegenbeweise, Es handelt sich um einen nachvollziehbaren Missbrauch durch Dritte, nicht Betroffene, Eine Wirksamkeitsprüfung von Homöopathie ist leicht nach bewährten Standards durchführbar. Das ist bei CWs sehr viel komplexer.
    • Selbst wenn CW wie Homöopathie maximal eine Plazebo~Wirkung hätten, wäre das ein Argument FÜR ihren Einsatz, da nicht nur keine NW sondern auch nahezu kosten~ und missbrauchsfrei.
    • Ein Schaden durch CW ist nicht nur nicht bekannt sondern auch nicht plausibel.

"Vermeidung muss überwunden werden - Mach ne Therapie!"

01:13:34
  • Richtet sich entweder auf Menschen mit Traumabackground. Dann völliges Misskonzept von Traumafolgestörungen.
  • Oder die Ferndiagnose ergibt geringere Störung.
    • Auf jeden Fall wäre damit die Annahme verbunden, die Legitimität der Forderung besser beurteilen zu können als die sie Stellende.
  • Außerdem Überwinde man seine Probleme ja durch Konfrontation ~ "Das weiß man ja."
    • Tatsächlich sind Expositionstherapien in der modernen Psychotherapie bei Angststörungen inklusive Zwängen dominant, gut empirisch abgesichert und erstes Mittel der Wahl. Aber: Es gibt halt nicht nur Angststörungen.
      • Traumafolgestörungen, Essstörungen, Persönlichkeitsstörungen, Schizophrenie, dissoziative Störungen sind etwas komplexer als eine spezifische Phobie.
      • Selbst wenn dort dominante Behandlungskonzepte Exposition beinhalten, ist das jeweils nur ein Bestandteil eines umfangreicheren Pakets und i.d.R. nicht eben durch eine dreimonatige Kurzzeittherapie aus 10 Sitzungen bewältigbar. D.h. die Betroffenen müssen ggf. trotz Therapie viele Jahre oder sogar bis Lebensende mit erheblichen Belastungen leben.
      • Reizoffenheit/Hypervigilanz und Übererregtheit/Hyperarousal sind sehr typische Symptome von z.B. Traumafolgestörungen oder im Bereich autistischer Erscheinungsformen. Diese sind teilweise nicht durch Therapien veränderbar, beruhen z.T. auf irreversiblen physischen Abweichungen vom Bevölkerungsdurchschnitt.
    • Empiriebasierte Manuale bilden nur teilweise therapeutische Realität ab. Reine Störungsbilder sind die Ausnahme, Komorbiditäten Regelfall.
    • Zugang zu Psychotherapie ist AUCH IN DEUTSCHLAND ein Privileg! Sie ist im Durchschnitt weiß, besserverdienend, able, klassistisch ~ von den Therapeut*innen gar nicht zu reden. Es gibt eine große Bandbreite an Unsicherheit erzeugenden Faktoren - befindlich in der Störung selbst, in der Variabilität therapeutischer Kompetenz, im Vorwissen über Störung und Therapie, in der Haltung üblicher Zuweiser*innen, in Wartezeiten und Sitzungsbeschränkungen, der Variabilität verfügbarer Ansätze ....
  • Ratschläge sind auch Schläge. Wenn Rat noch dazu lediglich auf Halbwissen und der eigenen ggf. privilegierten Erfahrung beruht, wäre demütigere Haltung vielleicht angebrachter.

"Jede*n triggert was anderes - dann müsste man alles kennzeichnen."

01:34:30
  • So?! Nur mal angenommen, das wäre wahr: Kosten~Nutzen~Analyse.
  • Grundsätzlich ist diese Aussage in dieser Totalität nicht gültig.
    • Im Falle von Traumafolgestörungen kann langfristig zwar nahezu jeder neutrale Reiz zu einem Trigger generalisiert werden, das bedeutet aber nicht, dass es nicht Gruppen von Reizen gäbe, bei denen wir da ziemlich hohe Gewissheit haben.
      • Die meisten können intuitiv nachvollziehen, dass Darstellungen von Gewalt, sexualisierter Gewalt, Sexualität, Blut, Verletzungen, vielleicht sogar erlebtem Mobbing für Betroffene extrem unangenehm sein können. Hier ist die Bereitschaft selbst bei Gegner*innen von CWs gelegentlich hoch. Hier scheint die Empathie ~ ggf. aus eigener Betroffenheit oder nahestehenden Betroffenen ~ vglw. leicht zu fallen.
      • Diskriminierende Sprache und Inhalte - ob durch Verfasser*innen oder in Beiträgen Zitierte ~ können für Diskriminierte selbstverständlich auch zu Auslösern erheblichen Leids werden. Anscheinend gibt es dahingehend sehr flexible Bewertungen, welche Diskriminierten in diesem Fall wieviel Respekt und Rücksichtnahme verdienen. Das scheint mir sehr abhängig von den eigenen internalisierten Ansichten der Bewertenden (z.B. Rassismus vs. Bodyshaming, Rassismus vs. Antisemitismus, Klassismus vs. Sexismus ...) .
      • Darstellung von Essen kann sowohl Menschen mit klassischen Essstörungen aber auch Menschen mit komplexen Traumafolgestörungen erheblich belasten. Binge~Eating~ oder Bulimische Attacken, Nichtvisuelle Flashbacks, Ekel, Übelkeit und migräneähnliche Syndrome können dadurch ausgelöst werden und weitere krisenhafte Zuspitzungen nach sich ziehen. Auch chronische körperliche Erkrankungen können Nahrungsaufnahme zu einem qualvollen Thema machen. Hier ist die Warn~Bereitschaft meist sehr gering, weil Essen für Normies etwas Angenehmes, Alltägliches ist und sie die Beschwerden der Betroffenen als Empfindlichkeit abtun und es mit eigenen, leicht zu umgehenden Nahrungsmittelaversionen gleichstellen. Fälschlicherweise.
      • Inhalte mit Bezug zu Arbeit und anderer Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Viele Betroffene können aufgrund ihrer Einschränkungen und Eigenschaften nicht so am gesellschaftlichen Alltag teilhaben wie Normies. Naive Menschen nehmen an, dass es doch geil ist, wenn 1 nicht mehr arbeiten gehen muss und endlich ganz viel Freizeit hat. Das führt aber an der Realität der Betroffenen meilenweit vorbei. Wer einen kleinen Einblick zu diesem Themenbereich möchte, dem seien die Folgen 7 bis 9 zu chronischen Erkrankungen ans Herz gelegt. Entsprechend können jegliche Beschreibungen mit Bezug zu Arbeit, Freizeitgestaltung oder sozialen Kontakten in Betroffenen heftige Gefühle des Mangels, der Einsamkeit, der Ausgrenzung oder Wertlosigkeit auslösen.
      • Beschreibungen von emotional sehr belastenden oder kindheitsbezogenen Situationen bergen ebenfalls ein sehr hohes Triggerpotential. Stichworte wie Familie, Kindheit, Streit, Drohung, psychische Gewalt oder Missbrauch können Menschen in instabilen Phasen helfen, solchem Content aus dem Weg zu gehen.
    • Liste sicher nicht vollständig, aber schon mal ein recht adäquater Überblick.
  • Es muss vielleicht nicht nur um klassische Trigger gehen. Auch für Normies können Themen überfordernd und unerträglich werden. Um die eigene Funktions~ und Genussfähigkeit wiederherzustellen, brauchen wir manchmal schlicht Pausen.
    • Das KANN natürlich durch eine vollständige Internetpause oder Handypause erzielt werden. Damit gebe ich aber ggf. nicht nur Belastungen sondern auch Zugang zu wichtigen Ressourcen ab. Dabei würde ein temporäres Ausblenden überfordernder Inhalte bereits ausreichen, das den Rest erhält.

KostenNutzenAnalyse

01:46:47
  • Bei jeder Intervention bedarf es einer KostenNutzenAnalyse. Oft machen wir die ganz automatisch auf Basis unserer Datenlage.
  • Wie dargestellt ist die individuell meist sehr unterschiedlich ~ bis ich über die Infos der anderen aufgeklärt werde.
  • Bei vielen Betroffenen führt eine KostenNutzenAnalyse zu vollständigen Blocks, Vermeidung bestimmter Blasen oder Netzwerke oder gar zu einem generelleren sozialen Rückzug. So hoch empfinden sie ihre individuellen Kosten.
  • CW erlauben den Betroffenen eine selbstbestimmte Regulation akuter Belastung und tragen somit zum höchsten Maß an gesellschaftlicher Teilhabe, die unter den jeweiligen Lebensumständen möglich ist. Gleichgültiges Posten ohne CW führt durch Erschöpfung und ChillingEffects zur weiteren Ausgrenzung Betroffener.
  • Bei Gegener*innen führt die Analyse offensichtlich zur Annahme, dass ihre individuellen Kosten durch CWs ~ ob spezifisch oder mandatorisch ~ höher zu bewerten sind als die der Betroffenen.
  • Objektive Kosten von CWs z.B. im Netzwerk Mastodon:
    • Bei einem neuen Post/Toot: Eingabe ca. 5 bis 20 weiterer Zeichen. Bei jeder Antwort auf diesen entfällt die Eingabe durch automatische Übernahme.
    • Von 500 verfügbaren Zeichen werden diese Zeichen abgezogen, was eine Beschränkung auf selten weniger als 480 Zeichen bedeutet.
    • Beim Lesen einer TL mit CWs erscheinen die Toots eingeklappt und müssen durch 1 LinksKlick geöffnet werden.
      • Das kann allerdings im Webclient und in einigen AndroidClients zentral ausgeschaltet werden. Nur im worst case kommt es also zu einer für das Internet nicht eben unüblichen Mehrbelastung des meist rechten Zeigefingers.
    • Bei CWs vor Blogposts, Artikeln oder anderen Schrifterzeugnissen aber auch als kurze Ansage zu Beginn von Podcasts oder RadioSendungen dürfte der Aufwand im Vergleich zur Gesamtanstrengung tendenziell noch marginaler ausfallen.

Fazit

01:52:44
  • Der Nicht~Einsatz bzw. die aktive Verweigerung von CWs ist entweder auf wenig liebenswerte Charakterzüge oder eine unvollständige KostenNutzenAnalyse zurückzuführen. Beschränkt man diese nur auf die eigenen Interessen fällt sie naturgemäß selbstbezogen aus. Fehlt einfach die Perspektive Betroffener handelt es sich ggf. nur um einen Informationsmangel, der durch Zuhören, Offenheit und den bewussten Abbau von Privilegien behoben werden kann.
  • Wie bei so vielen Analysen:
    • Es gibt einen Weg, der unmittelbar angenehm bzw. bequemer ist, aber gleichzeitig bittre langfristige Konsequenzen nach sich zieht.
    • Und einen, der unmittelbar aufwändiger ist, aber sich langfristig positiv auf die Gesamtsituation auswirkt.
  • Bei den CW ist es wie mit dem Gendern:
    • Zu Beginn fällt die Umstellung etwas schwer, 1 muss eine Zeit lang Misserfolge/Scheitern aushalten. Aber das ist temporär und mit der Zeit wird es immer leichter und normaler.
  • Meine eigene Transformation ist dahingehend übrigens auch noch lange nicht abgeschlossen. Es gibt immer wieder Phasen oder Situationen, in denen ich diesen Ansprüchen nicht entspreche. Die entscheidende Frage ist, wie ich damit umgehe:
    • Relativiere ich? Invalidiere ich Betroffene, um mich damit besser zu fühlen?
    • Oder nehme ich Kritik an, überprüfe ich mich regelmäßig selbst und korrigiere ich mich, wenn ich mein Scheitern bemerke?
  • Es geht nicht darum im Fahrtwind des allgemeinen Perfektionismus in den ActivistBurnout zu schlittern. Aber es kann auch nicht darum gehen, sich hinter Gleichgültigkeit oder Selbstgefälligkeit zu verstecken. Dazwischen gibt es noch etwas.

Abschied

02:03:06
  • Diesmal gibt es wenig Links auf Quellen. Denn wie oben beschrieben gibt es wenig Quellen, auf die sich zu beziehen lohnte. Meine Argumentation leitet sich aus psychotherapeutischem Wissen über verhaltenstheoretische und störungsspezifische Entstehungs~ und Erhaltungsmodelle sowie Behandlungskonzepte ab.
  • Dieses Plädoyer fällt doch sehr viel ausführlicher und zusammenhängender aus als eine Reihe von Toots, die im Schlagabtausch von mir in die Auseinandersetzung geworfen werden. Schlagabtausch~Diskurse verlaufen oft eskalativ, führen zur Fragmentierung von Gedankengängen und fördern so eher das Missverstehen als die Verständigung.
  • Ich hoffe, dass dieser umfangreiche Beitrag denen hilft mich zu verstehen, die mich angesichts meiner Toots zum Thema CW als ideologisch, starrsinnig und irrational wahrgenommen haben.
  • Und denen, die immer wieder in die aufwallenden Debatten ziehen, die Position zugunsten CWs (oder auch anderer sprachlicher Anti-Diskriminierungsmaßnahmen) noch klarer und mit evtl. neuen Argumenten zu vertreten.
  • Es geht beim Streit um CWs nicht um Rechthaben, sondern um konkrete Lebensbedingungen anderer Menschen. Also um sichere Räume, in denen sich alle Menschen so optimal wie möglich beteiligen können, leben können.
  • Das inkludiert auch die Aufgabe eigener Privilegien zugunsten eines Zusammenlebens, das auf Kooperation basiert, nicht auf Konkurrenz.
  • Ich bin selbst in dieser Episode den für mich bequemen Weg gegangen, als Nicht~Betroffener alleine und ohne die Perspektive der Betroffenen über Inhaltswarnungen zu sprechen. Ich könnte dafür plausibel klingende Gründe anführen. Aber das ändert an dieser Schwäche nichts.
  • Ich möchte denen, die ihre Perspektive in diesem Kontext besser repräsentiert sehen möchten, das Angebot machen, diesen Mangel mit mir zu korrigieren. Wer sich mit mir über dieses oder ein anderes meiner Themen aus seiner spezifischen Perspektive unterhalten und sie mit meinen Zuhörer*innen teilen möchte, melde sich bitte sehr gern bei mir.
  • Danke für die Aufmerksamkeit, jedes Teilen, jede Ermutigung, jede respektvolle Korrektur oder Ergänzung.
  • Die Plapperbude bleibt zwar ein Projekt neben einer Reihe wichtiger Projekte und Interessen in meinem Leben. Aber darunter ist sie ein wichtiges und geliebtes. Und das nicht zuletzt auch wegen all den tollen Menschen, die sich mir als Zuhörer*innen zu erkennen geben und so das Projekt mit mir teilen.
  • Tonquellen
  • Werde Mitglied in der Plapperbu:de-Community auf Matrix und diskutiere mit anderen Zuhörer*innen über diese Folge!

PLBD009 Chronische Erkrankungen (3/3)

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Homer S. (er)
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Lotte

Shownotes

Triggerwarnung

00:00:01
  • In dieser Episode wird es um chronische Erkrankungen und die daraus erwachsenden schweren Belastungen im Leben der Betroffenen gehen. Sowohl die Betroffenen als auch mitunter ihre Angehörigen sind aus guten Gründen bemüht, diese Belastungen aus ihrem Bewusstsein zu halten. Unser folgendes Gespräch wird entgegen diesen Bemühungen all diese Facetten ihres Leidens versuchen zu beleuchten und so ins Bewusstsein zurückholen.
  • Wir emfpehlen daher dringend, sich bereits vor dem Hören der drei Episoden zu diesem Thema planend vorzubereiten, ob und wieviel am Stück Ihr sie Euch anhören möchtet. Prüft bitte bewusst, wieviel Kraft und Distanz Ihr im Moment aufzubringen fähig seid und stellt Euch ggf. einen Wecker, um Euch zu Pausen zu zwingen. Es ist ein Podcast, er läuft nicht weg und somit könnt Ihr ihn Euch auch in 15min-Abschnitten anhören, wenn das erforderlich ist.
  • Sollte es dennoch zu Überforderung kommen, werdet Ihr Hilfe zur Entlastung und Distanzierung benötigen. Denkt daher bitte auch vorher darüber nach, mit wem Ihr unter Umständen über Eure Gefühle und Gedanken reden könnt, und wie diese Menschen wann zu erreichen sind. Wie bei anderen Folgen auch, weise ich außerdem auf www.telefonseelsorge.de hin, wo ihr anonyme Beratung via Mail, Chat und Telefon erhalten könnt. Wenn Ihr nicht ohnehin schon kompetente psychotherapeutische Betreuung habt, seid an die Möglichkeit sogenannter Psychotherapeutischer Sprechstunden bei niedergelassenen Psychotherapeut*innen erinnert, die im Krisenfall auch sog. Akuttherapien zur Krisenbewältigung anbieten können.

Begrüßung und Vorstellung

00:03:13
  • Fokus Bewältigung:
    • Eigene Lösungsversuche
    • Externe Expertise/Hilfe

Frage an die Expertin (Lotte)

00:04:23
  • Problemstellungen vielfältig = Lösungsstrategien vielfältig
  • Chronische Erkrankungen sind "life changing"
    • unterschiedliche Schweregrade
    • erfordern viel Aufmerksamkeit im Alltag
  • Gleichgewicht zwischen Ressourcen und Anforderungen bewahren/herstellen
  • Beispiele für typische Meisterungsstrategien
  • Leugnen und Ignorieren der Erkrankung (sauswirkungen) im Alltag
    • Überspielen, Distanzieren, Verdrängen, Bagatellisieren
      • von Symptomen und Einbrüchen
    • entspricht häufiger gesellschaftlicher Erwartung ("Zähne zusammenbeißen")
    • hoher Kontrast der starken und schwachen Phasen
      • langfristig hoher Preis durch wachsende Rückschläge
    • Planung: Tages- und Wochenpläne, Achtsamkeit ...
    • dennoch häufige Überschätzung eigener Ressourcen und Unterschätzung von Kosten
    • Akzeptanz der neuen Prämissen unter Erkrankung schwierig
      • Festhalten an alten Standards
    • Problem gesellschaftlicher Idealisierung von Spontanität
      • die unmittelbare Belohnung verspricht (Hedonismus)
      • langfristige Effekte von Planung werden oft nicht vorhergesehen
      • langfristige Schäden fehlender Planung oft nicht mit diesem Mangel verbunden
      • Hilfe bei Einsicht kann durch Psychotherapie ggf. besser gewonnen werden
    • Perfektionismus erschwert Anpassung von Planung an wechselnde Rahmenbedingungen
  • Sense of Urgency: An guten Tagen alle Ausfälle eilig kompensieren wollen (Überkompensation)
    • Auch als genussorientierte Euphorie an guten Tagen möglich (Bsp: Almauftrieb nach Winter)
    • Totale Selbstüberforderung - Erschöpfung exponentiell wachsend
    • Sekundäre Belastung durch Misserfolge und Enttäuschungen
      • Bei Nicht-Betroffenen auch! Aber Auswirkungen bei Betroffenen erheblicher
    • Metapher: Autofahren mit Vollgas vs. Optimaler Verbrauch
  • Akzeptanz
  • Streben nach Kontrolle
    • Z.B. durch Aufbauen von Struktur
    • oder krankheitsspezifischen Kompetenzerwerb
    • Klärung von Verantwortung für welche Aspekte von Kranksein
    • Zwanghafte Kontrolle vs. Externalisierung von Verantwortung (Kontinuum)
      • Mitte nicht unbedingt optimal!
      • Gerade bei seltenen Erkrankungen hohe Expertise für eigene Krankheit (höhere Kontrolle) ggf. überlebenswichtig!

Akzeptanz vs. Ewiger Kampf

00:41:00
  • Gesellschaftlich typische Metaphorik des Kriegs
    • Risiko des "Kampf gegen Windmühlen"
    • Totaler Sieg oder Niederlage
      • Therapie: Auflösen des Dualismus
    • Akzeptieren != Aufgeben
    • Risiko falsche "Gegner" zu wählen
      • Bsp: Traumafolgestörung
        • Vermeidung von Erinnerung verschlimmert Störungsbild
        • Bestimmtes Zulassen von Symptomen für Kompensation erforderlich

Hilfsangebote - Für und Wider

00:50:30
  • Bewältigungsgruppen, Meisterungskurse, Selbsthilfegruppen etc.
    • Vermittlung nach dem Gießkannen-Prinzip
      • aus Effizienz- und Kostengründen grundsätzlich nachvollziehbar
    • Unzureichende Individualisierung kann hoch kontraproduktiv sein
      • kann sogar wirksame Strategien für Betroffene "verbrennen"
      • wird Komorbidiäten (mehrere Diagnosen) , diversen Lebensrealitäten und Wechselwirkungen oft nicht gerecht
      • kann Unzulänglichkeitserleben in Betroffenen verstärken oder auslösen
      • Bsp: Entspannungsverfahren, Energieökonomisierungskurse
    • Perspektivwechsel für verschiedene Behandler*innen abhängig von Störungskenntnissen oder beruflichen Kompetenzen ggf. unzureichend
      • "schwierige" Patient*innen fallen stets hinten rüber
    • Chance: Angebote können anregen, unterstützen, soziale Unterstützung anbieten
      • Verfügbarer, leichter und schneller erhältlich
      • Aber zusätzliche Hilfe bei Individualisierung/Differenzierung empfehlenswert (z.B. begleitende oder nachfolgende Einzeltherapie)

Ambulante Psychotherapie als Bewältigungshilfe

01:16:30
  • Qualität der Angebote stark abhängig von Kompetenz und Haltung der Helfenden
    • Ruhig viele Therapeut*innen "ausprobieren" und Flexibilität und Offenheit prüfen
    • Anerkennung der Expertise der Betroffenen wichtig
      • Auch gut für das Kontroll- und Selbstwirksamkeitserleben der Betroffenen
    • Flexible (vorläufige!) , individuelle und transparente Störungs-/Problemmodelle gutes Zeichen
  • Hilfe bei Trennung von Symptomursachen und Klärung eigenen Einflusses auf Belastung
    • Ausschöpfung nicht-pharmakologischer Methoden zur Minimierung von Neben- und Wechselwirkungen
    • Stressbewältigungstechniken fast immer nützlich
  • Entlastung mitbelasteter sozialer Bindungen
  • Ausdruck und externe Bestätigung (Validierung) des erlebten Leids
  • Gestützte und tabulose Reflektion mit unabhängiger Person
  • Trauerarbeit, Emotionale Bewältigung von (ggf. fortschreitenden) Verlusten
  • Sozialer Isolation entgegenwirken
  • Neue, angepasste Lebensentwürfe entwickeln!
    • Paradoxe Anmutung: Leben kann grundsätzlich sogar glücklicher werden als vorher!
    • Veränderung birgt ggf. auch Chancen auf anderen Lebens-Ebenen
    • Recht auf "Das gute Leben"

Fazit und Zeit, die Löffel zu polieren

01:43:21
  • Danke für Euer Feedback und die Ermutigungen!
  • Homers und Lottes persönlicher Rückblick auf ca. 6h Podcast
  • Appell an Nicht-Betroffene: Fragt nach! (z.B. ob ihr fragen dürft 😉 )
  • Gegenseitiger Dank und Selbstanerkennung unserer Investitionen in das Projekt <3
  • Hinweis auf neue Kommentarfunktion und Verfügbarkeit im Fediverse unter @homer77

Outro

01:59:59

PLBD008 Chronische Erkrankungen (2/3)

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Lotte

Shownotes

Triggerwarnung

00:00:01
  • In dieser Episode wird es um chronische Erkrankungen und die daraus erwachsenden schweren Belastungen im Leben der Betroffenen gehen. Sowohl die Betroffenen als auch mitunter ihre Angehörigen sind aus guten Gründen bemüht, diese Belastungen aus ihrem Bewusstsein zu halten. Unser folgendes Gespräch wird entgegen diesen Bemühungen all diese Facetten ihres Leidens versuchen zu beleuchten und so ins Bewusstsein zurückholen.
  • Wir emfpehlen daher dringend, sich bereits vor dem Hören der drei Episoden zu diesem Thema planend vorzubereiten, ob und wieviel am Stück Ihr sie Euch anhören möchtet. Prüft bitte bewusst, wieviel Kraft und Distanz Ihr im Moment aufzubringen fähig seid und stellt Euch ggf. einen Wecker, um Euch zu Pausen zu zwingen. Es ist ein Podcast, er läuft nicht weg und somit könnt Ihr ihn Euch auch in 15min-Abschnitten anhören, wenn das erforderlich ist.
  • Sollte es dennoch zu Überforderung kommen, werdet Ihr Hilfe zur Entlastung und Distanzierung benötigen. Denkt daher bitte auch vorher darüber nach, mit wem Ihr unter Umständen über Eure Gefühle und Gedanken reden könnt, und wie diese Menschen wann zu erreichen sind. Wie bei anderen Folgen auch, weise ich außerdem auf www.telefonseelsorge.de hin, wo ihr anonyme Beratung via Mail, Chat und Telefon erhalten könnt. Wenn Ihr nicht ohnehin schon kompetente psychotherapeutische Betreuung habt, seid an die Möglichkeit sogenannter Psychotherapeutischer Sprechstunden bei niedergelassenen Psychotherapeut*innen erinnert, die im Krisenfall auch sog. Akuttherapien zur Krisenbewältigung anbieten können.

Begrüßung und Vorstellung

00:03:14
  • Kurzvorstellung Lotte
  • Anschluss an Teil 1
    • Definition
    • Prävalenz
    • Subjektives Erleben
  • Gliederung Teil 2

Krankheitsauswirkungen an sich

00:06:33
  • Somatische Erkrankungen können sich auswirken auf
    • Hormonsystem
    • Neurotransmittersystem
  • Auswirkungen aber komplex und schwerer vorherzusagen als früher angenommen
  • Beispiel Über/Unterfunktion der Schilddrüse
    • Mangelhormon kann künstlich ersetzt werden und Symptome verschwinden wieder
    • Sollte bei depressiver Symptomatik stets geprüft werden bevor antidepressive Medikation oder Psychotherapie eingesetzt werden. Auch bei Angstzuständen.
    • Auch andere Stoffe wie Vitamin D können bei Mangel depressives Syndrom auslösen
  • Beispiel Essentielle Hypertonie aka Bluthochdruck
    • Erhöhter Blutdruck ist mit Aktivierungszustand assoziiert und geht daher manchmal mit dem Empfinden von Angst einher. (Angst allerdings auch immer mit einer temporären Erhöhung des Blutdrucks)
  • Beispiel Parkinson und Zittern
    • Alltagshandlungen extrem zeitaufwändig durch eingeschränkte Feinmotorik

Medikamente und Hilfsmittel

00:19:55
  • Medikamente
    • müssen stets und ständig mitgeführt werden
    • bedürfen dabei teilweise spezieller Lagerung (z.B. Kühlung auch unterwegs)
    • Flughafen-Anekdote:
      • Extra-Kühltasche für Medikamente
      • Kühlelemente führen zu Schwierigkeiten beim Sicherheitscheck
      • Öffentliche Bloßstellung durch Vorzeigen der Medikamente und Diskussionen
      • Auf Reisen sachgemäße Lagerung auch oft schwierig
    • Mehrere Präparate müssen zu unterschiedlichen Zeiten absolut pünktlich und abhängig voneinander (Wechselwirkungen) eingenommen werden
      • sehr anspruchsvolle logistische und organisatorische Aufgabe
      • Keine Ausnahme, kein Wochenende, kein Ausschlafen etc.
    • greifen zum Teil ebenfalls - wie die Erkrankungen - in hormonelles und Neurotransmittersysteme ein und können ihrerseits psychische Symptome auslösen oder verstärken
      • i.d.R. unterkommuniziert
        • auch Behandler*innen vergessen häufig diesen Aspekt der Medikation mit den Beschwerden der Pat. in Beziehung zu setzen
        • hohe Komplexität durch Kombinationstherapien (Wechselwirkungen)
      • viele unterschiedliche Fachärzt*innen, die schlecht miteinander abgestimmt sind.
        • Management medizinischer Behandlung bleibt an Patient*innen (i.d.R. med. Lai*innen!) selbst hängen

Dauerstress

00:42:32
  • Ständige Selbstbeobachtung und Managment des Krankseins
    • Beispiel: Reichweitenangst bei Elektroautos
    • Führt zu erhöhtem Cortisolspiegel, was chronischen Unruhe- oder sogar Angstzustand bedeutet
    • Reizbarkeit, Anspannung, Impulsivität mögliche Folgen
    • Sympatikus (Anspannung) vs. Para-Sympatikus (Entspannung)

Soziale und gesellschaftliche Teilhabe

01:00:10
  • Stereotype Vorstellungen von Krankheit
  • Ähnlichkeit mit Betroffenen in besseren Phasen erhöht Bedrohungsgefühl durch Konfrontation mit Vergänglichkeit von Gesundheit und Leben
    • Subjektiver Verlust von Kontrolle über sich und sein Leben
    • Führt zu Hilflosigkeit und Angst
    • Wird über Vermeidung, Verdrängung und Leugnen "bewältigt"
  • Erhöhtes Risiko von Abhängigkeits-Beziehungen
    • Paternalismus und Invalidierung
      • zusätzliche soziale Behinderung in eigener Bewältigung
    • Helfer*innen-Burnout
      • Frustration
      • Selbstvernachlässigung oder Mangelversorgung
      • Kränkung
  • Vorwürfe, Ratschläge, Vergessenwerden
  • Privileg Nicht-Betroffener sich durch pauschalen Rückzug vor Risiken negativer Rückmeldung zu schützen
    • Betroffene können nicht wählen, keine Hilfe zu brauchen
    • Unzulässige Generalisierung schadet großer Gruppe zugunsten der Convenience Nicht-Betroffener

Eigene Gefühle in Bezug auf Erkranktsein

01:20:27
    • Diagnose erhalten - Wie war das für Dich?
    • Zuerst Erleichterung
      • nach langer Invalidierung als Psychisch/Psychosomatisch krank
      • Genugtuung, Entlastung von Scham
      • Erlösung: Endlich werde ich ernst genommen!
    • Langfristig dann aber der Schock über Bedeutung
      • Unsicherheit, Angst
        • vor Schmerzen, Krankheit, Medikamenten
        • existenzielle Ängste vor Verlauf, Prognose, Therapieoptionen
      • Verluste: Trauer, Wut, Kränkung
        • Identitäts- und Rollenverluste
        • Funktionseinschränkungen und -verluste
        • körperliche Veränderungen
        • Verlust der Selbstbestimmung
        • Abschied von Plänen und Lebensentwürfen
      • Invalidierung eigener Expertise für sich und sein Erleben durch z.B. Behandler*innen, aber auch Angehörige
        • Wut
        • Unzulänglichkeitserleben
    • Berichte von Chroniker*innen über ihre Gefühle

Anekdote: Marginalisierungserfahrungen bei Flugreisen

01:41:37

Dank und Verabschiedung

01:46:59
  • Ausblick Teil 3
  • Danke Lotte!

Outro

01:49:09

PLBD007 Chronische Erkrankungen (1/3)

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Mitwirkende

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Homer S. (er)
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Lotte

Shownotes

Triggerwarnung

00:00:01
  • In dieser Episode wird es um chronische Erkrankungen und die daraus erwachsenden schweren Belastungen im Leben der Betroffenen gehen. Sowohl die Betroffenen als auch mitunter ihre Angehörigen sind aus guten Gründen bemüht, diese Belastungen aus ihrem Bewusstsein zu halten. Unser folgendes Gespräch wird entgegen diesen Bemühungen all diese Facetten ihres Leidens versuchen zu beleuchten und so ins Bewusstsein zurückholen.
  • Wir emfpehlen daher dringend, sich bereits vor dem Hören der drei Episoden zu diesem Thema planend vorzubereiten, ob und wieviel am Stück Ihr sie Euch anhören möchtet. Prüft bitte bewusst, wieviel Kraft und Distanz Ihr im Moment aufzubrigen fähig seid und stellt Euch ggf. einen Wecker, um Euch zu Pausen zu zwingen. Es ist ein Podcast, er läuft nicht weg und somit könnt Ihr ihn Euch auch in 15min-Abschnitten anhören, wenn das erforderlich ist.
  • Sollte es dennoch zu Überforderung kommen, werdet Ihr Hilfe zur Entlastung und Distanzierung benötigen. Denkt daher bitte auch vorher darüber nach, mit wem Ihr unter Umständen über Eure Gefühle und Gedanken reden könnt, und wie diese Menschen wann zu erreichen sind. Wie bei anderen Folgen auch, weise ich außerdem auf www.telefonseelsorge.de hin, wo ihr anonyme Beratung via Mail, Chat und Telefon erhalten könnt. Wenn Ihr nicht ohnehin schon kompetente psychotherapeutische Betreuung habt, seid an die Möglichkeit sogenannter Psychotherapeutischer Sprechstunden bei niedergelassenen Psychotherapeut*innen erinnert, die im Krisenfall auch sog. Akuttherapien zur Krisenbewältigung anbieten können.

Begrüßung und Vorstellung

00:03:15
  • Lotte
    • Norwegerin
    • Diplom in Psychologie in Deutschland erworben
    • Verschiedene Tätigkeiten im akademischen Bereich
    • Zuletzt Associate Professor in Special Education with Emphasis on Psychometrics and Test Development
    • Selbst von chronischer Krankheit Betroffene
    • Mittlerweile Vollzeit-Erkrankte

Warum dieses Thema?

00:07:30
  • Erfahrung von mangelndem Bewusstsein für Realität Betroffener auf Seiten der Behandelnden
    • Mehrheit der Behandelnden weiß, mindestens Mittelschicht, able und mit sicherem, stabilem Arbeitsverhältnis
  • Erfahrungen der Unterkommuniziertheit vieler Aspekte chronisch Krankseins
    • Marginalisierung und Invalidierung durch die Umwelt
    • Belastung von Angehörigen und Rückwirkung auf Betroffene
  • Forschung: Deutlicher Zusammenhang zwischen chronischen und psychischen Erkrankungen gibt und vice versa
    • Psychischer Stress als Auslöser für Somatische Beschwerden und Erkrankungen
    • Körperliche Beschwerden als Auslöser für psychische Störungen

Gliederung

00:13:55
  • Drei Folgen um Energieressourcen nicht zu überfordern
  • Teil 1
    • Definition einer chronischen Störung
    • Prävalenz
    • Subjektives Erleben
  • Teil 2
    • Psychische Auswirkungen bei chronischen Erkrankungen
      • Folgen der Krankheitssymptomatik
      • Folgen der Medikation
      • Folgen sozialen/gesellschaftlichen Umgangs
  • Teil 3
    • Psychotherapie bei chronischen körperlichen Erkrankungen
    • Psychische Störungen und Autoimmunerkrankungen
    • Gemeinsamkeiten und Unterschiede somatischer vs. psychischer chronischer Erkrankungen
    • TakeAway massages

Definition Chronische Erkrankungen

00:19:15
  • Es gibt keine einheitliche Definition (Scheidt-Nave, 2010a in GEDA 2009)
  • AOK: "Unter einer chronischen Erkrankung versteht man eine länger andauernde, schwer heilbare Krankheit"
  • Oft: "andauernd, wenn der Zustand mehr als drei Monate anhält"
  • Zu unterscheiden von "akute Krankheit" (ca. zwei Wochen)
    • Chronische Erkrankung kann Akute Phasen haben
  • Wikipedia
  • Schweregrade von symptomfrei, über mild bis hin zu schwerwiegenden Symptomen und Einschränkungen
    • Definition Bundesgesundheitsministerium:
      • Als schwerwiegend chronisch krank gilt, wer mindestens einen Arztbesuch pro Quartal wegen derselben Krankheit wenigstens ein Jahr lang nachweisen kann und zusätzlich eines der folgenden Kriterien erfüllt:
        • entweder Pflegebedürftigkeit des Pflegegrades 3, 4 oder 5
        • oder aber ein Grad der Behinderung beziehungsweise eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 60 Prozent
        • oder wenn eine kontinuierliche medizinische Versorgung benötigt wird, ohne die nach ärztlicher Einschätzung eine lebensbedrohliche Verschlimmerung der Erkrankung, eine Verminderung der Lebenserwartung oder eine dauerhafte Beeinträchtigung der Lebensqualität durch die von der Krankheit verursachte Gesundheitsstörung zu erwarten ist.
      • Anwendbarkeit auf psychische Erkrankungen
        • Wartezeit auf Behandlung i.d.R > 5 Monate, Behandlungszeit oft > 12 Monate
        • Chronizität daher eher Regelfall als Ausnahme

Die häufigsten chronischen Erkrankungen

00:33
  • laut GEDA 2009:
    • Krebs
    • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
    • Diabetes
    • chronische Atemwegserkrankungen
  • WHO: Ursache 80% aller frühzeitigen Todesfälle
  • Beispiele weiterer chronischer Erkrankungen:
    • Quelle (PDF)
    • Alzheimer
    • Angststörungen
    • Autoimmunerkrankungen
    • Bipolare Sörungen
    • Depression
    • Epilepsie
    • Seh- und Hörbehinderung
    • Adipositas
    • MS
    • Osteoporose
    • Psoriasis
    • Rheumatische Erkrankungen
    • Stoffwechselerkrankungen
    • Gicht
    • Schilddrüsenunter-/überfunktion
  • Verläufe unterscheiden sich zum Teil erheblich
    • Ernährungsumstellungen können bei einzelnen Krankheiten zur teilweisen oder vollständigen Remission (Symptomfreiheit) führen (z.B. Adipositas, Gicht, Formen von Diabetes 2)
    • Krebsbehandlungen gelten als erfolgreich, wenn z.B. nach 5 Jahren keine Neubildungen von Krebszellen festgestellt werden konnten
    • Andere Erkrankungen sind nicht reversibel und bedürfen stetiger Überwachung und Behandlung
    • Wieder andere werden als "progressiv", d.h. fortschreitend, bezeichnet und werden unausweichlich schlimmer (z.B. Multiple Sklerose, verschiedene Autoimmunerkrankungen oder Alzheimer)

Prävalenz (nach GEDA 2009 und 2012)

00:45:20
  • GEDA: "Gesundheit in Deutschland aktuell"
    • GEDA 2009
    • GEDA 2012
    • Befragung an repräsentativer Stichprobe (N=20.000)
    • Selbsteinschätzung (Ja/Nein) : "Haben Sie eine oder mehrere lang andauernde, chronische Erkrankungen? (Hinweis: Chronische Krankheiten sind lang andauernde Erkrankungen, die ständiger Behandlung und Kontrolle bedürfen, z.B. Diabetes oder Herzerkrankungen.) "
    • > 1/3 der deutschen Bevölkerung mit mindestens einer chronischen Erkrankung
    • Breite Kategorie: Erfordert weitere Differenzierungen in Bezug auf Konsequenzen
    • 43 % der Frauen und 38 % der Männer geben an, von mindestens einer chronischen Krankheit betroffen zu sein. Der Unterschied ist statistisch signifikant.

Fazit

00:53:13
  • Chronisch Kranke insgesamt sind keine Minderheit oder Randgruppe.
  • Chronische Erkrankungen spielen im Leben nahezu jedes Menschen eine Rolle:
    • direkt als Betroffene
    • indirekt als Angehörige

Subjektives Erleben Chronischer Erkrankungen

00:54:53
  • Wie ist es eine chronische Krankheit zu haben? (Erlebensebene)
    • Frage, die Betroffene nur sehr selten hören
    • Typische Fragen: Was hast du? Was ist das? (Faktenebene)
  • Komplexität überfordert Nicht-Betroffene
    • Typische Reaktionen: Betroffenheit, Hilflosigkeit, Meidung des Themas, Überforderung etc.
  • Chronische Erkrankung als "ungebetener Gast, den du nicht rausschmeißen kannst"
  • Häufige Begleiterscheinung: Extremer Energiemangel
    • Chronische Erkrankungen kosten unglaublich viel Energie, weil chronisches "Multitasking" z.B. wegen stetiger Müdigkeit oder Schmerzen
    • Löffelanalogie (Shout out to Spoonies!)
    • Akkumetapher
    • Erhebliche Einschränkung von Leistungsfähigkeit und damit persönlichen Freiheitsgraden
      • auch "normale", alltägliche Dinge benötigen Energie (Zähneputzen, Lachen, Essen verdauen ...)
      • Angst vor sicherer Rückkehr der belastenden Symptome (sekundärer Stress)

Das Ende

01:15:53
  • Dank, Verabschiedung und Löffelbilanz!
  • C U in Teil 2 hoffentlich! 😀